Verhaltenstherapeutische Selbsterfahrungsgruppe
Konzeptbeschreibung
- Adressaten der Gruppe
- Grundlegendes zur verhaltenstherapeutischen Selbsterfahrung
- Schwerpunkte der Gruppenarbeit
- Achtsamkeit und „Compassion fatigue“
- Anmeldung, Termine, Ausfallregelung, Kosten
- Tagungshaus, Zeitplanung, Anreise und Übernachtungsmöglichkeiten
- Die verschiedenen Settings der Gruppenarbeit
- Schweigepflicht und Datenschutz
- Literatur
- Planung in Zeiten der Pandemie
- Selbsterfahrung im Online-Format?
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Adressaten der Gruppe
Ärzt(inn)e(n) in psychotherapeutischer Weiterbildung mit dem Erstverfahren Verhaltenstherapie, Psycholog(inn)en (Im folgenden wird aus Gründen der Lesbarkeit von der grammatisch generaliserend maskulinen Form Gebrauch gemacht.) in verhaltenstherapeutischer Ausbildung, sowie Angehörige anderer Berufsgruppen mit helfenden oder beratenden Aufgabenbereichen, welche die Anwendung verhaltenstherapeutischer Methoden implizieren. Halboffene Gruppe, minimal 7, maximal 12 Teilnehmer je Block (s. u. Anmeldung, Termine, Kosten).
Die Gruppe wird im hier beschriebenen Format jährlich seit dem Frühjahr 2011 angeboten. Sie umfasst etwa insgesamt 150 Unterrichtsstunden in fünf Blöcken zu jeweils 30 U-Stunden, jeweils über vier Tage (Montag bis Donnerstag). Ein Zyklus dieser 5 Blöcke erstreckt sich über etwa 15 Monate. Der nächste Zyklus beginnt dann etwa 2-4 Monate später. Die Fortsetzung (oder Wiederaufnahme) der Teilnahme im jeweils anschließenden Zyklus ist möglich, ebenso der Einstieg in einen laufenden Zyklus bis zum vorletzten Block, (-> siehe auch unter “Termine”).
Willkommen und erfahrungsgemäß für die Gruppe bereichernd sind auch Psychotherapeuten, die bereits eine Ausbildung oder Weiterbildung abgeschlossen haben, aus ihrem Arbeitsalltag heraus jedoch einen Reflektions- und Fortbildungsbedarf sehen, der den Rahmen inter- oder supervisioneller Arbeit verfehlt (s.u. Achtsamkeit und Compassion fatigue).
Grundlegendes zur verhaltenstherapeutischen Selbsterfahrung
In der Verhaltenstherapie führt die Vielfalt an Settings und behandlungstechnischen Konzepten zu dem Problem, dass es kaum möglich ist, eine auch nur repräsentative Auswahl von ihnen am eigenen Leibe und der eigenen Seele zu erleben. Das aber wäre eine wesentliche Grundlage von Selbst-Erfahrung. Dieses Problem, das bei den psychodynamischen Psychotherapien in dieser Form nicht besteht, ist – didaktisch betrachtet – die Kehrseite der konzeptionellen Flexibität der VT. (Auf der anderen Seite dieser Flexibilität findet sich die besondere Eignung der VT zur Entwicklung störungsspezifischer Konzepte.)
Selbsterfahrung ermutigt und nötigt Menschen, die psychotherapeutisch oder beratend tätig sein wollen, die Methoden, Deutungssysteme und interaktionellen Verfahren, mit denen sie Patientinnen und Patienten behandeln und verstehen wollen, auch auf sich selbst anzuwenden.
Das setzt die Bereitschaft voraus, Patienten/Klienten-analoge Rollen anzunehmen, den eigenen Lebensweg, die Entwicklung des Selbstkonzepts, das eigene Interaktionsverhalten, sowie speziellere Aspekte eigenen Problemverhaltens nach Prinzipien der Lerntheorie zu betrachten.
Sofern – wie hier – die Selbsterfahrung in einer Gruppe stattfindet, kommt die Bereitschaft hinzu, diese Betrachtung mit anderen zu teilen. Im Hinblick auf die Reflexion des eigenen Interaktionsverhaltens bietet gerade eine Gruppe die Möglichkeit, sie in vivo anzustellen, da Interaktion zum Wesen von Gruppenprozessen gehört.
Schwerpunkte der Gruppenarbeit
Methodische Schwerpunkte
Die Arbeit findet in verschiedenen Settings statt: Als Basis-Setting im Stuhlkreis aller Teilnehmer, zwischendurch aber auch im Rahmen reflektierender Einzelübungen, angeleiteter Imaginationen, im Rollenspiel mit und ohne Beobachter in der Kleingruppe. Gruppenteilnehmer, die dies möchten, haben auch die Gelegenheit, selber Imaginationen und in-sensu-Übungen in der Gruppe anzuleiten.
Im Verlauf der Gruppenarbeit entstehen neben dem interaktionellen Austausch entlang der thematischen Schwerpunkte (s.u.) auch eine Reihe von autobiografischen und selbstreflektierenden Aufzeichnungen, die jeder Teilnehmer als persönliches Arbeitsergebnis mit nach Hause und auf seinen weiteren Weg mitnehmen kann. In die Arbeit an und mit diesen Aufzeichnungen fließen auch Techniken autobiografischen Schreibens (Gujons et al. 1999) ein.
Für die Anfertigung ihrer Aufzeichnungen bekommen die Gruppenteilnehmer Materialien und Anleitungen. Jeder Psychotherapeut, der seine Patienten mit „Hausaufgaben“ zur Anfertigung von Protokollen, Wochenplänen, eigenen Verhaltensanalysen, themenfokussierten Tagebüchern konfrontiert, sollte der Notwendigkeit, die eigene Disziplin als Ressource zu wecken, sie aber auch zu zähmen, im Selbsterfahrungsprozess begegnen.
Inhaltliche Schwerpunkte:
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Die autobiografische Rekonstruktion dessen, was in der psychodynamisch orientierten Persönlichkeitstheorie als „Struktur“, im Rahmen der jüngeren Entwicklung der Verhaltenstherapie als “Schema” bezeichnet wird.
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Selbstreflektierende, lerntheoretisch fundierte Verhaltensanalysen
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Die Identifikation eigenen Problemverhaltens und die modifizierende Arbeit mit diesem
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Kennenlernen eigenen Vermeidungsverhaltens, (vor allem, soweit es nicht als Problemverhalten erlebt wird)
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Fragen der beruflichen Psychohygiene
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Reflektion über eigene Interaktionsmuster mit Patienten, die in der therapeutischen Arbeit bevorzugt oder gemieden werden.
Leitfragen zur Heranführung an diese Schwerpunkte:
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Auf welchen Wegen und Stationen bin ich in berufliche Helfer-Rollen geraten und wie habe ich diese bislang gestaltet?
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Wie fühle und verhalte ich mich in Gruppen und Hierarchien?
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Wie berausche, ernüchtere, diszipliniere, belohne ich mich?
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Wie integriere ich eigene Schwächen und Unvollkommenheiten in mein Selbstkonzept?
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Wo lokalisiere und wann datiere ich eigene biografische Schwellensituationen?
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Woher kommen meine motivationalen und ethischen Orientierungen, wie priorisiere ich sie im Konfliktfall?
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In welchen situativen Bedingungen fällt es mir schwer, mit Kritik umzugehen, Kritik zu üben?
Sequenzielle Struktur der Blöcke (orientiert an Brüderl, Riessen & Zens 2015)
Die Arbeit an den bisher benannten inhaltlichen Schwerpunkten unterliegt in ihrer zeitlichen Entwicklung in der laufenden Gruppe von Block zu Block auch einer gewissen sequentiellen Struktur. Dennoch ist und bleibt es möglich, in die Gruppenarbeit in jedem einzelnen Block (bis auf Block 5) neu einzusteigen.
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Block 1: Biografiearbeit: Blick in die eigene Lebensgeschichte.
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Block 2: Emotionsregulation
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Block 3: Selbstbewusstsein, Selbstwert, Selbstkonzept
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Block 4: Entwicklung der Therapeutenidentität
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Block 5: Der „Flügelschlag der Endlichkeit“
Achtsamkeit und „Compassion fatigue“
In der jüngeren Vergangenheit ist in der verhaltenstherapeutischen Fachöffentlichkeit wachsendes Interesse an denjenigen Formen individuellen Selbstbezugs erkennbar geworden, welche mit dem Begriff „Achtsamkeit“ adressiert werden können (Zarbock et al. 2012).
Vieles spricht dafür, dass übende Erfahrung hiermit Angehörigen seelischer Dienstleitungsberufe bei der Entwicklung ihrer auf Patienten und Klienten ausgerichteten Rolle hilfreich sein und helfertypischen Störungen vorbeugen kann. Diese Störungen hängen in der Regel mit einem Verlust (oder einer primären Unterentwicklung) des Selbstbezugs der Helfer zusammen. Achtsamkeitsübungen werden in der Selbsterfahrungsgruppe eher am Rande des „didaktischen Programms“ aber mit der Regelmäßigkeit eines „roten Fadens“ angeleitet und können von den Teilnehmern, die hier für sich eines Bedarf sehen, auch zu einem Element ihrer beruflichen Psychohygiene im Selbstmanagement ausgebaut werden. Dies könnte vor allem für diejenigen Kollegen hilfreich sein, die nach abgeschlossener Aus- und Weiterbildung bereits selbständig psychotherapeutisch tätig sind, im Hinblick auf die erlebte seelische Ökonomie ihres Arbeitsalltags aber zusätzliche Anregung und Orientierung suchen.
Das besondere Interesse von Verhaltenstherapeuten an „Achtsamkeit“ könnte eventuell auch als Interesse daran gedeutet werden, die Emotion gegenüber der Kognition zu emanzipieren. Ob sich eine solche Emanzipation auf den behandlungstechnischen Kanon der Verhaltenstherapie auswirken wird, muss bis auf weiteres offen bleiben (Lammers 2011). Im Hinblick auf die Ausbildung von Verhaltenstherapeuten erscheint sie aber jetzt schon als Desiderat.
Anmeldung, Termine, Ausfallregelung, Kosten
Erster Schritt für jeden Interessenten an der Gruppe ist die Lektüre dieses Konzeptpapiers. Bei weiter bestehendem Interesse wird dann ein unverbindliches (und kostenloses) Vorgespräch mit dem Gruppenleiter vereinbart (Kontaktdaten s.o.). Im Rahmen dieses Gespräches werden zunächst alle Fragen des Interessenten besprochen. Auch der Gruppenleiter richtet Fragen an den Interessenten zu seinem beruflichen Werdegang, zur aktuellen Arbeitssituation und seiner Motivation für die Gruppenarbeit. Auch die Vorgehensweise des „First Come Veto- Prinzips“ (s.u. Abschnitt Schweigepflicht und Datenschutz) wird genauer besproche. Die beiderseitige Prüfung von Neigung und Eignung zur Teilnahme an der Gruppe im Sinne eines probatorischen Kontakts in der Psychotherapie ist wesentliches Ziel dieses Gesprächs. (Und in diesem Sinne auch bereits eine Selbsterfahrung.)
Tabelle: Termine Selbsterfahrungsgruppe 2024/2025:
(Die Gruppe 2023/2024 ist ausgebucht. Anmeldungen für die Gruppe 2024/2025 sind voraussichtlich ab Februar 2024 möglich.)
1. Block: Sonntag 18. bis Mittwoch 21. August 2024
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2. Block: Sonntag 13. bis Mittwoch 16. Oktober 2024
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3. Block: Sonntag 1. bis Mittwoch 4. Dezember 2024
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4. Block: Sonntag 16.. bis Mittwoch 19. Februar 2025
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5. Block: Sonntag 18. bis Mittwoch 21. Mai 2025
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Interessenten, die nach abgeschlossener Ausbildung oder Weiterbildung (zum psychologischen Psychotherapeuten oder zum Facharzt) eine Anerkennung der Gruppe als Fortbildungsmaßnahme durch die Psychotherapeutenkammer (und/oder Ärztekammer) anstreben, sollten darauf achten, jeweils direkt aufeinander folgende Blöcke zu buchen. Die zeitliche und personelle Konstanz ist in diesem Fall in der Regel eine Anerkennungsauflage der Fortbildungskammern.Jede Gruppe besteht aus fünf Blöcken mit jeweils 30, also insgesamt 150 Unterrichtsstunden (1Unterrichtsstunde = 45 Minuten). Die Gruppe ist halboffen konzipiert. Sie kann komplett (also mit 150 Einheiten) oder anteilig, mindestens aber mit 30 Unterrichtsstunden (1 Block) gebucht werden.
Ärzte in psychiatrischer/psychotherapeutischer Weiterbildung sollten sich im Hinblick auf derartige Auflagen bei ihrem lokalen Weiterbildungsbefugten, Psychologen in Ausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten bei ihrem Ausbildungsinstitut informieren.
Die Anmeldung kann blockweise geschehen oder auch für mehrere Blöcke gleichzeitig. Wesentlich für den zeitlichen Ablauf des Anmeldungsprozesses ist für jeden einzelnen Block der Stichtag (siehe Tabelle), bis zum dem eine Anmeldung vorliegen muss. Dieser liegt 30 Tage vor dem ersten Tag des Blocks. Ein Block kann nur dann stattfinden, wenn bis zum Stichtag mindestens 7 Anmeldungen vorliegen. Alle Angemeldeten werden von mir darüber informiert, sobald dies der Fall ist. Wenn Teilnehmer zum Stichtag angemeldet sind, zum Termin des Blocks aber dennoch verhindert sind (auch durch Krankheit), so wird ihnen 60% des Honorars als Ausfallshonorar in Rechnung gestellt, falls dieser Ausfall dazu führt, dass die Gruppe dann weniger als 7 Teilnehmer hat. Falls die Mindestteilnehmerzahl durch den Ausfall nicht unterschritten wird, wird kein Ausfallhonorar berechnet.
Die Kosten für eine Unterrichtseinheit betragen 20.- Euro (einschließlich eines Umsatzsteueranteils von € 3.20) . Sie werden jeweils anteilig im Anschluss an einen Block rückwirkend in Rechnung gestellt. Die Kosten für einen Block von 30 U-Stunden beträgt mithin € 600.- (ohne Umsatzsteueranteil: € 504.-). (Bei Ausbildungskandidaten von Ausbildungsinstituten, welche gem. §4,21 UStG von der Umsatzsteuer befreit sind, wird – sofern die Teilnahme an der Selbsterfahrungsgruppe ins Curriculum des Instituts eingebunden ist – nur der Nettoanteil von € 16.80 in Rechnung gestellt.)
Tagungshaus, Zeitplanung, Anreise, Übernachtungsmöglichkeiten für auswärtige Teilnehmer
Die Selbsterfahrungsgruppe findet im „Lohnerhof“ statt, am Rande von Konstanz, am Ufer des Seerheins gelegen. Die Gruppe beginnt montags bis donnerstags jeweils um 9:00 Uhr, und endet montags, dienstags und donnerstags (spätestens) um 17 Uhr, mittwochs bereits um 14 Uhr. Der Lohnerhof wird vom Bahnhof Konstanz aus von der Buslinie 6 angefahren. (Einstieg: Haltestelle Marktstätte, Ausstieg: Haltestelle Strohmeyersdorf). Parkplätze sind in der Umgebung ausreichend vorhanden. Kostengünstige Übernachtungsmöglichkeiten in fußläufiger Nähe zum Lohnerhof bieten das B&B Hotel Konstanz und das Hotel IBISBudget Konstanz.
In der Universitätsstadt Konstanz, touristisch nicht unattraktiv, werden auch auf den üblichen Plattformen im Internet vermietete Privatunterkünfte für Kurzzeit-Aufenthalte angeboten.
Lohnerhof
Die verschiedenen Settings der Gruppenarbeit
„Mehr als Zwei sind eine Gruppe” lautet eine griffige und deshalb auch populäre Definition von Gruppe als Ur-und Grundform des gleichnamigen sozialen Phänomens. In der hier beschriebenen Gruppen-Selbsterfahrung wird in einer Reihe recht unterschieldicher Gruppen-
setting gearbeitet. Die Vielfalt der (Gruppen-)Settings hat ihren Ursprung darin, dass sich im Methodenkanon der lerntheoretisch fundierten Psychotherapie aka Verhaltenstherapie eine große Vielfalt an therapeutischen Settings entwickelt hat. Dies unterscheidet die Verhaltenstherapie grundsätzlich und wesentlich von der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie, in welcher Therapeut:innen und Patient:innen in der Gruppentherapie im äquidistanten Stuhlkreis sitzen, in der Einzeltherapie einander in sozialer Distanz (120-200cm) in einem Innenwinkel zwischen 0 und 90 Grad (der Körperquerachsen) gegenüber, welcher Blickkontakt nahelegt aber nicht erzwingt.
Der „große Stuhlkreis“, auch „Plenum“ genannt (alle Teilnehmer:innen) …
…umfasst, sofern die maximale Gesamtteilnehmerzahl erreicht wird, einschließlich des Gruppenleiters, bis zu 13 Personen. Das sind viele. Solange man sich in der Zeitachse noch nicht sehr lange kennt ist das fast noch ein „öffentlicher Raum“ wenngleich er – wie die gesamte Gruppenarbeit – immerhin durch die Schweigepflicht aller Anwesenden geschützt ist. Dennoch ist er für die biografische, emotionale, interaktionelle Selbstreflexion, soweit es in dieser um persönliche, eventuell gar intime Themen geht, nicht wirklich gut geeignet. Dennoch hat der Stuhlkreis mit allen Teilnehmer:innen, auch “Plenum” genannt, durchaus wichtige Funktionen im Spektrum der verschiedenen Settings der gemeinsamen Selbsterfahrungsarbeit. Die erste Funktion dieses Plenums ist die “Konstitution” der Gruppe. Jeder Block und auch jeder Arbeitstag der Selbsterfahrungsgruppe beginnt im Plenum. Die meisten Arbeitstage enden auch in diesem Setting. Es ist der Ort des Zusammenkommens, der erste Schritt des Kennen-Lernens zu Beginn des Arbeitstages, ebenso der Ort der abschließenden Reflektion des selbst Erfahrenen am Ende des Arbeitstages oder eines jeden Blocks. Schließlich ist das Plenum auch derjenige Ort, an dem Übungen vom Gruppenleiter, auf deren Wunsch auch von Grupenteilnehmern angeleitet werden, welche mit der “dritten Welle der Verhaltensthera-
pie” in die psychotherapeutische Praxis gespült wurden.
Die Kleingruppe (3-5 Teilnehmer:innen)…
… ist im gesamten Verlauf der Selbsterfahrung das bedeutsamste Setting der Gruppenarbeit. Es nimmt von allen Settings im Verlauf der Gruppe den größten Zeitanteil ein. Die Kleingruppe besteht aus minimal 3 und maximal 5 Teilnehmer:innen. In diesem Setting kann sich mit der Zeit eine besondere Vertrautheit entwickeln. Hier wird biografisches Wissen geteilt, episodisches Material über die Abzweigungen der Lebenswege, Entwicklungsgeschichten der persönlichen Werte und Orientierungen, fokussiert meist zunächst entlang der individuellen (Aus-)Bildungswege. Die Kleingruppen sind im Hinblick auf ihre Zusammensetzung „semi-stabil“. Das bedeutet, dass die einzelnen Gruppenteilnehmer:innen zunächst einige Zeit, vorzugsweise über die Dauer der Arbeit in einem der 5 Themenblöcke, in der gleichen Klein-gruppe verweilen, diese dann aber auch – ebenfalls vorzugsweise – in den folgenden Blöcken, wechseln können.
Die Selbstreflektion für sich allein (1 Teilnehmer) …
…hat vor allem die Funktion, das erschlossene episodische und lerngeschichtliche Material dokumentarisch für sich persönlich zu sichern und zu strukturieren, schriftlich in der Form von autobiografischen Aufzeichnungen, aber auch von Skizzen oder als – meist verkleinerte – Reproduktionen von Erinnerungsdokumenten.
Die „Fishbowl“ (Bis zu 12 Teilnerhmer:innen, aufgeteilt in Innenkreis und Außenkreis)
Während die bisher beschriebenen Gruppensettings auch außerhalb von Psychotherapie und Selbsterfahrung im alltäglichen Leben vorkommen, ist die “Fishbowl” eine eher artefizielle Form des Miteinanders: Etwas vereinfacht aber anschaulich beschrieben besteht sie aus einem Außenkreis und einem Innenkreis. Die Gruppenteilnehmer im Innenkreis sind aktiver und an der Zahl weniger als die Teilnehmer im Außenkreis, welche dem Geschehen im Innenkreis aufmerksam folgen. Aktiviert wird der Außenkreis durch die Initiative (mindestens) eines Teilnehmers aus dem Innenkreis mit einer Frage, der Bitte um Rückmeldung, um Einschätzungen oder auch thematische Impulse zur Anregung der Arbeit im Innenkreis. Das Setting wird besiepielsweise bei Rollenspielen eingesetzt, welche im Innenkreis stattfinden und den dortigen Teilnehmern etwa die Möglicheit gibt, im Außenkreis um Vorschläge für die Fortsetzung eines “eingeschlafenen” oder in eine Pattsituation gemündeten Spielverlaufs zu bitten. Das Setting wird auch in der Ausbildung von Supervisoren eingesetzt, da ja die Außenkreisteilnehmer quasi “Supervisoren on demand” sind. Damit öffnet sich für Supervisanden und auch Supervisoren ein (Selbst-)Erfahrungsraum für Schwellensituatonen im Übergang zwischen Psychotherapie und Supervision. Die Fishbowl hat relativ konkret die Funktion, den Gruppenteilnehmern Gelegenheit zu geben, den Perspektivenwechsel zwischen Supervisandin und Supervisor kennen zu lernen, soll damit – unter anderem – auch den Benefit der Teilnehmer von Supervisionen als Standardsetting der Weiterbildung fördern.
Schweigepflicht und Datenschutz
Alle Gruppenteilnehmer und auch der Gruppenleiter unterliegen wechselseitig im Hinblick auf alle persönlichen und biografischen Daten, die in der Gruppe thematisiert werden, der Schweigepflicht nach außen. Jeder Gruppenteilnehmer muss darauf achten, dass in seine Aufzeichnungen über die Arbeit in der Selbsterfahrungsgruppe keine personenbezogenen Daten anderer Gruppenteilnehmer aufgenommen werden.
Die Beachtung der Schweigepflicht ist zugleich schwieriger und wichtiger, wenn Gruppenteilnehmer auch außerhalb der Gruppe miteinander in kollegialen oder anderen Kontexten zu tun haben. Im Hinblick auf die Möglichkeit der Teilnahme von Mitgliedern, die in der gleichen Einrichtung/Institution tätig sind, wird daher das „First-Come-Veto“-Prinzip angewendet. Das bedeutet:
Jeder Gruppeninteressent wird im Rahmen des Vorgesprächs dazu befragt, in welchem institutionellen Rahmen er arbeitet. Falls bereits ein Teilnehmer aus der gleichen Institution für die Gruppe angemeldet ist, muss dieser zunächst befragt werden, ob er Einwände gegen die Aufnahme des Kollegen aus der gleichen Institution hat. Dazu muss der „nachrückende“ Kollege den Gruppenleiter autorisieren, dem bereits angemeldeten Kollegen seine Identität bekannt zu geben, andernfalls wäre die Veto-Frage aus Datenschutzgründen gar nicht möglich. Falls der „nachrückende“ Kollege die Veto-Frage nicht ermöglicht, ist selbstverständlich auch dies zu respektieren, eine Anmeldung für die Gruppe ist dann aber nicht möglich. Deshalb ist es zweckmäßig, die Frage der institutionellen Zugehörigkeit recht früh im Verlauf des Vorgesprächs zu thematisieren.
Als Medium der Selbstreflektion können von einzelnen Situationen und Übungen auch Videoaufzeichnungen angefertigt werden. Für den Selbsterfahrungsprozess ist das in mehrfacher Hinsicht hilfreich. Die Realisierung dieser Möglichkeit setzt aber voraus, dass alle Aufgezeichneten im Einzelfall damit einverstanden sind. Dieses Einverständnis wird in der Gruppe vor jeder möglichen Aufzeichnung vom Gruppenleiter aktiv erfragt. Falls es nicht vorliegt, wird auf die Aufzeichnung verzichtet. Die Ablehnung ist nicht begründungsbedürftig. Sämtliche Videoaufzeichungen dürfen nur innerhalb der Gruppe verwendet werden und werden nach Beendigung der Gruppe (nicht: des Blocks).
Literatur
Die folgenden Literaturverweise sind nicht als Einführungs- oder gar Pflichtlektüre für Gruppeninteressenten gedacht, sondern als Quellenangaben und Versuch, diejenigen Ansätze und Konzepte namhaft zu machen, auf denen die Gruppe aufbaut. Maßgeblich für das methodische Gesamt-Konzept ist vor allem der im Fettdruck hervorgehobene Band von Brüderl, Riessen & Zens (2015).
Arbeitskreis OPD2: Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik- Grundlagen und Manual. Bern (Hans Huber) 2007.
Beck, Ulrich; Vossenkuhl, Wilhelm; Erdmann-Ziegler, Ulf: Eigenes Leben. München (C.H. Beck) 1997
Brüderl, Leocadia; Riessen, Ines; Zens, Christine: Therapie-Tools Selbsterfahrung. Weinheim (Beltz) 2015
Elsässer, Peter S.: „Wenn sie dir zu nahe kommen“ – Die seelische Ökonomie des Psychotherapeuten. Weinheim (Beltz) 1984.
Eßwein, Jan: Achtsamkeitstraining. München (Gräfe und Unzer) 2010.
Gujons, Herbert; Pieper, Marianne; Wagener, Birgit: Auf meinen Spuren – Das Entdecken der eigenen Lebensgeschichte. Hamburg (Bergmann u. Helbig) 1999.
Lammers, Claas-Hinrich: Emotionsbezogene Psychotherapie. Stuttgart (Schattauer) 2011 (2. Aufl.)
Ubben, Bernd: Verhaltenstherapeutische Selbsterfahrung. Weinheim (Beltz) 2013.
Willi, Jürg: Wendepunkte im Lebenslauf – Persönliche Entwicklung unter veränderten Umständen – die ökologische Sicht der Psychotherapie. Stuttgart (Klett-Cotta) 2007.
Zarbock, Gerhard; Ammann, Axel; Ringer, Silka: Achtsamkeit für Psychotherapeuten und Berater. Weinheim (Beltz) 2012.
Planung
Im Kontext der aktuellen Pandemie haben sich die Konturen von Begriffen wie „Planung“, „voraussichtlich“, „eventuell“, „möglicherweise“, „verbindlich“ verändert. Der Horizont unserer auf das Grundbedürfnis nach Kontrolle gerichteten Erwartungen reduziert sich wie das Blickfeld unter einer Schutzmaske.
Wir alle haben, soweit wir psychotherapeutisch tätig sind, in den letzten Monaten eine ganze Menge an Erfahrungen über den Einfluss des Tragens von Schutzmasken und eventuell weiterer Schutzkleidung auf psychotherapeutische Settings sammeln können. Sie werden nicht nur als Schutz sondern auch als Fremdkörper, als Zumutung, beengend und damit auch beängstigend erlebt. Zugleich können Sie – wie viele Zumutungen – aber auch Anlass für die Entwicklung von Toleranz und Resilienz sein. In denjenigen Selbsterfahrungsblöcken, die ich während der Pandemie geleitet habe, wurde deren Arbeit gerade durch die Schwierigkeiten der Alltagsbewältigung für uns alle auch verdichtet und bereichert.
Der Block im Dezember 2020 der Selbsterfahrungsgruppe 2020/2021 musste aus Gründen der Pandemie seinerzeit kurzfristig abgesagt werden.
Die Nachfrage nach Plätzen in Selbsterfahrungsgruppen hat in der bisherigen Pandemiezeit gegenüber den Vorjahren zugenommen. Zugleich hat aber das Angebot im Weiterbildungsbereich, insofern es sich um Veranstaltungen handelt, welche nur im Präsenzbetrieb realisierbar sind, deutlich abgenommen. (Vermutlich ist im wesentlichen oder auch allein der Rückgang des Angebots die Ursache für die Zunahme der Nachfrage.) Dadurch ist auch in der psychotherapeutischen und psychiatrischen Weiterbildung eine Art Rückstau-Situation entstanden.
Selbsterfahrung im Onlineformat?
Die in diesem Konzeptpapier vorgestellte Selbsterfahrungsgruppe 2022/23 ist als Präsenzveranstaltung geplant. Dennoch möchte ich hier im folgenden zunächst auch zu den Möglichkeiten und Grenzen explizit der Gruppenselbsterfahrung im Onlineformat einige Gedanken und Überlegungen vorstellen:
Vermutlich im Eindruck der beschriebenen „Rückstau-Situation hat der Vorstand der Bezirksärztekammer Südbaden am 25. Februar 2021 beschlossen, Gruppenselbsterfahrung auch für Onlineformate zuzulassen. Dieser Beschluss gilt befristet bis zum 31.12.2021. Zum Jahresende soll über eine Verlängerung nachgedacht werden, je nachdem, wie die Pandemie-Situation dann sein wird.
Ich habe im zurückliegenden Jahr in der theoretischen Weiterbildung eine ganze Menge und überwiegend gute Erfahrungen mit Onlineformaten aus der Position des Teilnehmers und aus derjenigen des Anbieters sammeln können, bei Theorieseminaren, aber auch bei Team Supervisionen. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen könnte ich mir auch vorstellen, künftig Gruppen Selbsterfahrung im Onlineformat anzubieten, falls aus Gründen der Pandemie Präsenzveranstaltungen nicht möglich sein sollten.
Konkret würde ich die Selbsterfahrung im Verlauf der Gruppe 2022/23 zu einem geplanten Termin auf das online Format umstellen, wenn die dann aktuelle Pandemie-Situation die Durchführung als Präsenzveranstaltung nicht zulässt.
Um selber entscheiden zu können, ob Selbsterfahrung in der Gruppe im online Format für Sie infrage kommt oder nicht, scheinen mir vor allem 2 Punkte wichtig:
Erstens: Da ein Beschluss der Ärztekammer Südbaden dem Ganzen zugrunde legt, ist die Anerkennung nicht in ganz Deutschland garantiert. Dennoch hat jeder weitere deutsche Ärztekammer die Möglichkeit, den Beschluss aus Südbaden auch mitzutragen. Falls also eine deutsche Ärztekammer außerhalb von Baden-Württemberg für ihre Weiterbildung zuständig ist, müssten sie sich dort vorab informieren. Wenn ich bei diesem Klärungsprozess hilfreich sein kann, nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf. Wer seine Unterlagen für die Facharztprüfung in Baden-Württemberg einreicht (also nicht nur in Südbaden, sondern im gesamten Baden-Württemberg) hat jedoch einen Anspruch auf Anerkennung der Selbsterfahrung, wenn sie im online Format absolviert wurde, als Folge der aktuellen Vorstandsentscheidung der ÄK Südbaden. Ich habe bisher nicht in Erfahrung bringen können, wie die Schweizer Gremien, vor allem die FMH, darüber denken.
Zweitens: Für Sie als potenzielle Teilnehmer zu bedenken sind auch die Lücken der Datensicherheit: die zertifizierten Programme zur Video-Psychotherapie sind im Hinblick auf die Datensicherheit auf sehr hohem Niveau angesiedelt. Die technische Voraussetzung dafür ist, dass zwischen den Teilnehmern ausschließlich sogenannte „peer-to-peer“ Kontakte aufgebaut werden, bei denen die Daten jeweils nur direkt von Rechner zu Rechner fließen und nicht in einem externen Server gebündelt gesammelt und weitergeleitet werden. Das ist aber im Rahmen von Standard-Internet-Verbindungen nur für maximal 5 Teilnehmer möglich. Selbst dann ist die Bildqualität und oder die Tonqualität meistens aber sehr schlecht. (Wenn die Ministerpräsidenten der Länder mit Frau Merkel online kommunizieren, spielt sich das nicht im Standard-Internet-ab sondern läuft entlang spezieller Netzwerkleitungen, die Normalsterblichen nicht zugänglich sind.) Das bedeutet nun für Selbsterfahrung online mit den gängigen Plattformen, dass diese gegen Zugriffsversuche böswilliger Hacker nicht abzusichern sind. Das ist technisch leider bisher nicht möglich.
Ich habe meinerseits mit der Plattform „Zoom“ inzwischen eine Menge Erfahrungen gesammelt. Noch nicht im Kontext Selbsterfahrung, sondern hauptsächlich im Rahmen von Theorieseminaren, am hiesigen Ausbildungsinstitut für psychologische Psychotherapeuten und auch an der Uni Konstanz. Schließlich auch in der Teamsupervision psychiatrischer Kliniken. Technisch finde ich das Programm sehr ausgereift. Kleingruppen Arbeit, in der Selbsterfahrungsgruppe, ein wichtiges Setting, ist leicht realisierbar (mit dem „breakout-Modul in Zoom“). Der Einbezug von Medien (PowerPoint, Video, digitales Whiteboard) ist gut geregelt. Arbeitsblätter, mit denen Sie schriftlich arbeiten, müsste ich den Teilnehmern im Vorfeld im Dateiformat zuschicken. Da ich im online-Format keine Raummiete zahlen muss, würden ich diese Kostenersparnis an die Teilnehmer*innen weitergeben. Eine Bewertung der Daten(un)sicherheit für die Zoom-Oberfläche finden sie hier:
Die Anmeldung zur Gruppe durch die Teilnehmer erfolgt schriftlich (auch als e-mail an: praxis-schonauer@t-online.de möglich).